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Wie Clearview unsere individuelle Freiheit bedroht

Start-up sammelt mit neuer Technologie Milliarden Fotos für Gesichtsdatenbank
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
© Tobias Koch

Das bislang kaum bekannte Start-Up ClearView AI soll eine Gesichtserkennungs-App entwickelt haben, mit der man Menschen anhand eines Fotos innerhalb von Sekunden identifizieren kann. 

Das US-amerikanische Unternehmen soll dafür mehr als 3 Milliarden Bilder aus unterschiedlichen sozialen Netzwerken abgesaugt und in einer gigantischen Fotodatenbank gespeichert haben.

Mit der Technologie von Clearview sei es möglich, eine x-beliebige Person zu fotografieren und sie anhand der Software nahezu eindeutig zu identifizieren. US- Sicherheitsbehörden sollen diese Technologie bereits mit großem Erfolg einsetzen.

Auch in Deutschland wird bereits mit ähnlicher Technologie in Pilotprojekten experimentiert – so zum Beispiel am Berliner Südkreuz. Seit Monaten werden dort nach mehrfachen Fristverlängerungen für die Testphase anhand von 5,5 Millionen Bildern von erkennungsdienstlich behandelten Personen die Möglichkeiten intelligenter Gesichtserkennung erprobt. Noch leidet das Projekt jedoch unter einer hohen Fehlerquote. Bundesinnenminister Seehofer will laut Spiegel vergleichbare Formen biometrischer Videoüberwachung an 135 Bahnhöfen und 14 Flughäfen in ganz Deutschland einführen.

Unsere stellvertretende Vorstandsvorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bezweifelt jedoch, dass solche Technologien überhaupt mit der aktuellen Strafprozessordnung oder den Polizeigesetzen vereinbar wären, und fordert, dass wir jegliche Verwendung solcher Technologien durch klare gesetzliche Regelungen verbieten müssen.

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„Solche Technologie ist nicht nur höchst zweifelhaft, sondern bedeutet auch einen sehr tiefen Einschnitt in die Privatsphäre des Einzelnen“ sagte sie im Interview mit radioeins. Zudem lade Gesichtserkennungssoftware zum Missbrauch ein. Die Dimension der anlasslosen Überwachung sei schlicht und ergreifend unverhältnismäßig, und führe dazu, dass der eventuell vorhandene Wunsch von Sicherheitsbehörden, Zugriff auf vergleichbare Methoden zu erhalten entschieden verneint werden müsse, so Leutheusser-Schnarrenberger.

Die biometrische Gesichtserkennung bietet unvorstellbare Verarbeitungsmöglichkeiten. So soll es mit Clearview zum Beispiel möglich sein, eine Person trotz der partiellen Verdeckung des Gesichtes durch Brillen oder Kopfbedeckungen zu identifizieren.

„Die bevorstehende Entscheidung ist eine Grundsatzentscheidung, wie die vorangegangenen Entscheidungen zur Vorratsdatenspeicherung oder den ‚Lauschangriffen‘. Wir bewegen uns in einer Dimension, bei der zu tief in die Grundrechte eingegriffen wird. Vom Missbrauchspotenzial durch Dritte ganz zu schweigen.“

Selbst ein Richtervorbehalt sei in diesem Fall unzureichend meinte Leutheusser-Schnarrenberger im Interview. Die Tendenz sei eindeutig, dass Richter in Fällen in denen sie keine eigenen Erkenntnisse entgegensetzen können Anträgen der Polizei zustimmten. Ein umfassendes und rigoroses Verbot sei die einzig logische Konsequenz.

Das vollständige Interview gibt es hier.