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Das Paradox der Produktivität

Wichtig ist die Innovationskraft, nicht das reine Wachstum der physischen Arbeitsleistung

Dieser Beitrag erschien erstmals am 27.12.2017 in der Broschüre des 4. Ordnungspolitischen Kolloquiums des VDMA und der IMPULS Stiftung zum Thema: "Das Produktivitätsparadoxon im Maschinen- und Anlagenbau".

"Seit einigen Jahren beobachten wir ein merkwürdiges Phänomen. In klassischen Industriezweigen der deutschen Wirtschaft wächst im Trend die Produktivität der Arbeit nur mehr mit sehr mäßiger Geschwindigkeit. Das gilt auch für den Maschinenbau, einer Schlüsselbranche, die in der Entwicklung von Produktinnovationen und bei der Eroberung von Exportmärkten exzellente Ergebnisse vorzuweisen hat.

Wo liegt das Problem? Die Antwort ist im Detail komplex, aber in der zentralen Botschaft einfach: Wir leben in einer Zeit, in der sich der Weg zu mehr Wertschöpfung nicht mehr unbedingt in den Zahlen der Produktivitätsstatistik niederschlägt. Zum einen gibt es systematische Messfehler beim Erfassen der Qualität von Gütern und Diensten. Insbesondere wird der immaterielle Leistungsbeitrag etwa in der Betreuung und Wartung maßgeschneiderter Anlagen zunehmend unterschätzt, eben weil der Service eine immer größere Rolle spielt. Zum anderen wird es immer schwieriger, überhaupt jenes technisch Neue zu erfassen, das zur Grundlage einer gestärkten Marktposition wird. Auch dies gilt in besonderem Maße für die typische Palette deutscher Ingenieurskunst. So kann etwa das Digitalisieren vormals analoger Vorgänge sehr leicht in seiner markterschließenden Wirkung in der Messung lange Zeit unentdeckt bleiben, obwohl Manager und Techniker sehr genau wissen, wie zukunftsträchtig es ist.

Das Paradox der Produktivität ist also kein Grund für unternehmerische Angstgefühle oder eine politische Panik. Allerdings gilt es wachsam zu sein: Was nicht erlahmen darf, ist die Innovationskraft der deutschen Industrie – und die ist allein schon wegen der demografischen Entwicklung langfristig in hohem Maße gefährdet. Die große Generation der Babyboomer verlässt ab 2020 schrittweise den Arbeitsmarkt, und darunter ist eine riesige Zahl von kompetenten Fachkräften und Ingenieuren. An dieser Stelle sind die Sorgen berechtigt. Die Antwort kann nur lauten: bessere Ausbildung und mehr Zuwanderung von motivierten Leistungsträgern."