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Coronavirus
USA: Ein Praktikum in Zeiten der Pandemie

Thibault Krause beschreibt sein Leben als Praktikant im Büro des Transatlantischen Dialogs während der Ausbreitung von COVID-19
Thibault Krause und Claus Gramckow
Praktikant Thibault Krause und Claus Gramckow, Leiter des Transatlantischen Dialogs © Friedrich Naumann Foundation North America 

Der Praktikant Thibault Krause befand sich gerade mitten in seinem Praktikum im Stiftungsbüro in Washington, DC, als sich die Lage um die Ausbreitung des Coronavirus dramatisch zuspitzte. Für Freiheit.org rekonstruiert er die letzten Tage vor seiner abrupten Abreise zurück nach Deutschland. 

Es war Anfang Januar, als ich zum ersten Mal etwas vom neuen Coronavirus und der Krankheit COVID-19 gehört habe. Damals war das alles noch sehr weit weg. Man hörte von der sich immer schlimmer zuspitzenden Lage in der chinesischen Provinz Wuhan. Hier in München ging das Leben ganz normal weiter. Ich selbst hatte sowieso nicht viel Zeit, mir viele Gedanken darüber zu machen. Ich steckte mitten in den Vorbereitungen für mein lang ersehntes Praktikum im Auslandsbüro der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Washington, D. C. Der Visaantrag war in vollem Gange, letzte Klausuren mussten geschrieben werden, die Koffer wurden voller und schwerer und die Vorfreude auf mein Praktikum, aber auch darauf, meine amerikanische Freundin wieder zu sehen, wurde größer und größer.
 

Am 21. Februar war es dann soweit: America here I come!

Gleich bei Ankunft am Flughafen in Washington-Dulles, wurde ich zum ersten Mal direkt mit der Coronathematik konfrontiert wurde. „Have you travelled to China in the past 14 days?“ fragte die Grenzbeamtin. Die USA hatten damals schon Reiseeinschränkungen für China eingesetzt. Nachdem ich verneinte und erfolgreich eingereist bin, konnte mein Leben hier in den USA beginnen. 10 Wochen hatte ich für meinen Aufenthalt hier eingeplant, am Ende sollten es nur 4 werden.

In den ersten beiden Wochen war vom Coronavirus wenig zu hören. Ich nutzte meine erste freie Woche, um die Stadt und ihre Umgebung kennen zu lernen. Ab und zu hörte man immer schlimmere Nachrichten aus China. Auch aus Europa und Deutschland häuften sich die Meldungen über immer mehr Infizierte. In den USA sprach man über die ersten Fälle in Washington State, das Leben selbst ging aber ganz normal weiter. Auch meine erste Woche im Praktikum verlief weitgehend normal. Es machte mir viel Spaß, im Büro mitzuhelfen und ich freute mich auf die nächsten Wochen. Allerdings wurden schon erste Besprechungen geführt, ob man nicht geplante Veranstaltungen und Studienreisen der Stiftung verschieben sollte, einzelne externe Teilnehmer hatten nämlich angefangen, ihre Teilnahme abzusagen oder Bedenken zu äußern.

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Erst ab der dritten Woche begann sich die Situation für mich spürbar zu verändern. Die Lage in Europa und an der US-Westküste hatte sich dramatisch verschlechtert. Auch in New York und im Raum Washington, D. C., wurden die ersten Fälle bekannt. COVID-19 plötzlich das entscheidende Thema. Und das, obwohl wir mit den Präsidentschaftsvorwahlen in einer politisch sehr aufgeladenen Zeit waren.

Während dieser Zeit habe ich auch in meinem Praktikum den Einfluss des Virus zu spüren bekommen. Im Büro wurde plötzlich darüber nachgedacht, ob wir in der darauffolgenden Woche nicht lieber zuhause bleiben sollten. Am Donnerstag, den 5. März, wurde dann entschieden: Ab nächste Woche Home-Office.

Auch im öffentlichen Leben kam es dann sehr schnell zu Einschränkungen. Die Museen wurden geschlossen, Sportveranstaltungen abgesagt und die Straßen leerer und leerer. Am Mittwoch, dem 11. März, konnte ich mit meiner Freundin noch in die Oper gehen. Tags darauf, am Donnerstag, wurde dann auch die Oper geschlossen.

Über das Wochenende kam uns eine Freundin aus Indiana besuchen. Allerdings war auch diese Freude nur kurz, denn zu diesem Zeitpunkt stand das öffentliche Leben in D. C. bereits weitgehend still. Wir konnten noch Essen und etwas Trinken gehen, mehr war dann auch nicht mehr möglich.

Die entscheidende, zugleich eine der wohl schwersten Wochen, war dann Woche 4. Meine Freundin und ich starteten sie im Home-Office, während sich die Meldungen um das Virus überschlugen. Washington, D.C. und Maryland ordneten die Schließung von Restaurants, Bars und Fitnessstudios an. Virginia, wo wir wohnten, verschärfte die Einschränkungen weiter. Immer mehr Fälle wurden im ganzen Land bekannt, verlassen haben wir unsere Wohnung nur noch, um einmal Einkaufen zu gehen. Trotz allem hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht an ein mögliches Abbrechen meines Aufenthaltes gedacht.

Am Mittwoch, dem 18. März:

Meine Familie rief an und sprach das Thema zum ersten Mal an. Auch auf meinen legalen Status im Land und die Gesundheitsvorsorge wurde ich von vielen hingewiesen. Was, wenn mein Visum ausläuft und es keine Möglichkeit gibt, zurück zu kommen? Was, wenn ich krank werde und das System überlastet ist? Bin ich ausreichend versichert? Das Auswärtige Amt und die Deutsche Botschaft hatten da schon eine Reisewarnung ausgesprochen, die Rückkehr ins Heimatland wurde empfohlen. Einreisestopps in die USA, aber auch nach Europa, waren verhängt.

Nachdem ich plötzlich von immer mehr Seiten aufgefordert wurde, schnellstmöglich nach München zurückzukehren und viele Tränen flossen, nahm ich die Sache selbst in die Hand. Ich wollte, auch wegen meiner Freundin, auf keinen Fall nach Hause zurückkehren. Ich rief bei meinem Visasponsor an und erkundigte mich über meinen Visastatus im Ernstfall. Auch mit der Krankenversicherung habe ich telefoniert. Es stellte sich heraus, dass ich mit Einvernehmen meiner Praktikumsstelle mein Visum jederzeit verlängern konnte, auch war ich für amerikanische Verhältnisse sehr gut versichert.

Donnerstag, dem 19. März: 

Es schien, nachdem mein Visum und meine Versicherung geklärt schienen, als ob ich erst einmal weiter in den USA bleiben könnte. Auch meine Familie hatte sich, nachdem ich ihr die Situation erklärt hatte, etwas beruhigt.

Freitag, der 20. März:

Der Tag der Entscheidung. Am Morgen rief ich in der Früh noch einmal bei meinem Visasponsor an, um mich über die gestrigen Infos zu versichern. Sie stimmten. Kurz danach kam allerdings die Mail von meiner Praktikumsstelle: Nach Absprache mit dem Team hat man sich entschieden, der Empfehlung des Auswärtigen Amtes folgend, meine Rückreise zu empfehlen. Auch einer Verlängerung des Visums würde man nicht mehr zustimmen. Ab dem Moment war klar: Es war vorbei.

Die Stiftung hatte mir gleichzeitig eine E-Mail der Botschaft weitergeleitet, in der die Möglichkeit eines Rückfluges durch die Luftwaffe der Bundeswehr angeboten wurde. Weil es inzwischen von Washington, D. C., aus keinen Linienflug nach Deutschland mehr gab und auch der Flughafen in New York wegen eines positiven Coronafalls geschlossen wurde, bewarb ich mich um einen Platz bei der Luftwaffe. Kurz danach wurde er mir zugesagt. Es stand fest, morgen Samstagnacht, werde ich kostenlos von Washington-Dulles, militärischer Teil, nach Köln ausgeflogen, zusammen mit in Las Vegas stationierten Bundeswehrsoldaten und 21 weiteren Zivilisten, hauptsächlich Angehörige von Botschaftsmitarbeitern und Praktikanten wie mich.

Bundeswehr Luftwaffe
© picture alliance/Oliver Berg/dpa

Samstag, 21. März:

Der unverhoffte und plötzliche Tag der Abreise.

Geplanter Abflug war 21:00 Uhr, um 19 Uhr musste ich mich am Deutschen Luftwaffenstützpunkt des Flughafens melden. Ich verbrachte den Tag damit zu packen und die restlichen Stunden mit meiner Freundin zu verbringen. Um 18:15 Uhr holte mich mein „Lyft“ ab und ich traf pünktlich am Stützpunkt ein. Meine Identität wurde überprüft und ich durfte dann mit den anderen Zivilisten warten, sehr lange warten. Die Maschine aus Las Vegas hatte Verspätung, die Soldatinnen und Soldaten hatten Getränke für uns bereitgestellt. Gegen 1:00 Uhr nachts wurden wir dann endlich von einem Bus abgeholt und direkt, ohne Sicherheits- und Passkontrolle (Unterlagen werden von der Bundeswehr an die amerikanischen Behörden nachgereicht), zum Flugzeug gefahren. Ein Test auf Corona erfolgte nicht, man hatte uns jedoch mitgeteilt, dass es keine Verdachtsfälle in der Maschine geben wird. Mitten in der Nacht startete dann der Airbus A310 der Deutschen Luftwaffe, gefüllt mit Soldatinnen und Soldaten und 22 Zivilisten, die Heimreise nach Köln. Für mich war damit meine Reise in den Vereinigten Staaten von Amerika zu Ende, nach nur 4 Wochen.