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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Coronavirus
Im Notstand braucht es Liquidität

Staatliche Hilfsprogramme sind richtig. Der gewerbliche Mittelstand darf auf Dauer keinen Schaden nehmen.
Karl-Heinz Paqué

Karl-Heinz Paqué

© Photothek / Thomas Imo

Die Corona-Krise sorgt in Teilen der deutschen Wirtschaft für einen Produktionsstillstand. Die Wirtschaftsforschungsinstitute schätzen den Einbruch der Wertschöpfung für das erste Quartal bereits in der Größenordnung von 5 bis 6 %. Es könnte noch viel mehr werden, wenn die Pandemie länger andauert und es gar noch wie in anderen Ländern im Kampf gegen die Infektionsketten zu einer Ausgangssperre kommt.

Eine gewaltige Herausforderung! Denn es bedeutet, dass jene Teile der Wirtschaft, die stillstehen, keine Erlöse mehr haben, aber durch fortdauernde Kosten vor allem für die Beschäftigten belastet werden. Großunternehmen können dies durch massive Kurzarbeit ein Stück weit abfedern – dank auch der jüngsten Neugestaltung der Regeln, die Bundestag und Bundesrat im Schnellverfahren beschlossen haben. Für Handwerker, Dienstleister und Freiberufler gilt das nicht, genauso wie für kleine mittelständische Industrieunternehmen. Was ist zu tun?

Dramatik der Situation rechtfertigt staatliche Transfers

Die zentrale Botschaft muss lauten: Liquidität sichern und Geld bereitstellen! Die Bundesregierung hat genau dies mit dem (unbegrenzten) Notprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) auf den Weg gebracht. Die bevölkerungsreichsten Länder Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg haben ebenfalls mit großzügigen Initiativen die Weichen gestellt. Weitere Länder sind dabei zu folgen. Auch die Europäische Union tut das ihre. Wichtig ist, dass die Vergabe der Mittel unbürokratisch erfolgt: Es ist keine Zeit für langwierige Antragsprüfungen, zumal selbst viele der Prüfer im Home-Office festsitzen. Fast formlose Anträge werden genügen müssen, um den sofortigen Geldfluss in Bewegung zu setzen. Ob als rückzahlbarer Kredit, Steuergutschrift oder gar als Transfer ohne Gegenleistung, das ist derzeit eher zweitrangig.

Erst wenn die Krise vorbei ist, lässt sich im Nachhinein prüfen und feststellen, wer der Empfänger nur einen vorübergehenden Umsatzeinbruch erlitten hat und wer ein dauerhaftes Geschäftsproblem als Nachlass der Krise erbt. Beides ist denkbar. So werden manche Handwerksbetriebe nach der Krise aufgestaute Aufträge nachholen können und dann überdurchschnittliche Umsätze erzielen, vielleicht schon gleich in den späten Sommermonaten und im Herbst. Für andere gilt das nicht. So werden etwa die Industriemesse in Hannover oder die Buchmesse in Leipzig sowie Kino- und Theateraufführungen allerorten nicht irgendwann nachgeholt. Die damit verbundenen Aufträge an selbstständige und freiberuflich tätige Dienstleister sind auf Dauer verloren. Eine nachträgliche Prüfung könnte deshalb auch, wenn nötig, Kredite in Transfers umwandeln. Klar ist, dass eine solche Praxis auch anfällig für Missbrauch sein kann. Aber das ist bei Notfällen dieser Art kaum zu vermeiden. Die Dramatik der Situation, an der niemand Schuld hat, rechtfertigt dies – ganz ähnlich wie seinerzeit bei den Flutkatastrophen an Oder und Elbe sowie der Weltfinanzkrise 2008.

Gute Chancen auf erfolgreiches Krisenmanagement

Wer finanziert das alles? Die Antwort lautet zwingend: der Staat. Es geht nicht anders. Allerdings muss dabei natürlich die Europäische Zentralbank (EZB) als „Gläubiger der letzten Instanz“ eine stabilisierende Rolle spielen, vor allem gegenüber den Banken, die den gewerblichen Mittelstand unterstützen. Hier muss die EZB eine großzügige Refinanzierung gewährleisten. Die zusätzlichen Ausgaben des Staates werden die Schulden von Bund und Ländern nach oben treiben, was für Deutschland als Ganzes kein großes Problem sein wird, ist doch Kapital für Bund und Länder derzeit zu Nullzinsen in den Märkten verfügbar. Ein moderater Anstieg der langfristigen Renditen, der wohl dann kommen wird, könnte sogar für Sparer attraktiv sein.

Anders formuliert: Deutsche Corona-Staatsanleihen wären schnell überzeichnet. Anders könnte es für Italien aussehen, das eine hohe Schuldenlast hat und ausgerechnet von der Corona-Krise bisher am stärksten betroffen ist. Um einem Druck der Märkte vorzubeugen, hat deshalb die EZB schon reagiert: Sie steht wie schon in der Schuldenkrise 2012 bereit, im Falle der Spekulation gegen Italien den Euro zu stützen. Und dies ist richtig so.

Wie sind die Chancen für ein erfolgreiches wirtschaftliches Krisenmanagement in Deutschland und Europa? Eher gut, trotz aller berechtigten aktuellen Erregung. Dies liegt nicht nur an den niedrigen Zinsen, sondern vor allem auch an dem hohen Maß an Preisstabilität. Bei Inflationsraten in den EU-Ländern zwischen null und zwei Prozent ist ein vorübergehender Schub an Liquidität bei gleichzeitigem scharfen, aber vorübergehenden Produktionsrückgang durchaus zu verkraften. Allerdings bedarf es der engen internationalen Zusammenarbeit, woran es bis vor wenigen Tagen fehlte. Dies gilt für Europa, aber auch global.


Der Artikel erschien erstmals am 21. März 2020 in der Volksstimme und ist hier zu finden.