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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Corona
Lebenschancen zu Coronazeiten

Alle Wirtschaftszahlen deuten auf eine extrem labile Lage. Die Politik muss ein Signal setzten: kluge Konzepte statt Lockdown!
Filmtheater Colosseum

Die neuesten Corona-Daten sind erschreckend. Es droht in Deutschland nun auch ein exponentielles Wachstum der Fallzahlen, das kaum noch zu kontrollieren sein wird. Was tun? Gibt es nun den zweiten Totalschaden, weil Wirtschaft und Gesundheit im massiven Konflikt stehen? Unser Vorstandsvorsitzender Professor Paqué antwortet: Nein, das darf nicht geschehen. Wir brauchen jetzt viel Intelligenz, solides Wissen und cleveres Management.

Drei wichtige Statistiken wurden zur Wochenmitte publiziert: (1) Die Zahl der Corona-Neuinfektionen am Tag kletterte erstmals in den fünfstelligen Bereich - deutschlandweit zuletzt 11.242; (2) die Steuereinnahmen sind im Vorjahresvergleich um 13 Prozent eingebrochen - und dahinter steht hauptsächlich der drastische Wirtschaftseinbruch durch den ersten Lockdown im Frühjahr und weniger die Senkung des Mehrwertsteuersatzes um drei Prozentpunkte; (3) die Geschäftsaussichten trüben sich jüngst wieder spürbar ein, wie der Konsumklimaindex zeigt - nach dem Tiefstand im Mai folgten monatliche Verbesserungen bis August, aber seither wieder eine zunehmende (und beschleunigte) Verschlechterung.

Also: eine überaus labile Lage, in der jedes negative Signal in Richtung eines Lockdowns einen endgültigen Zusammenbruch aller Erholungstendenzen nach sich ziehen kann. Genau dies gilt es zu verhindern. Und das ist nur möglich, wenn die Politik entschlossen und klug reagiert. Sie muss deutlich machen, dass ein Lockdown eben nicht in Frage kommt, sondern das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben auch bei starker Corona-Inzidenz weiterlaufen wird, und zwar in rational durchorganisierter Form.

Im Bereich von Gewerbe und Kultur ist längst bewiesen worden, dass dies möglich ist: Der Einzelhandel, das Handwerk und kleine persönliche Dienstleister, Kinos, Theater und Kleinkunstbühnen, Schulen und Kitas, Universitäten und Fachhochschulen, industrielle Produktionsstätten und öffentliche Verwaltungen, Hotels und Pensionen - alle haben unter Beweis gestellt, dass sie bereit und fähig sind, überzeugende Hygienekonzepte zu entwickeln und umzusetzen. Wieviele Neu-Infektionen sind zum Beispiel in Theatern bisher nachgewiesen worden? Der Leiter des Düsseldorfer Kabaretts Kommödchen Kai Lorenz hat jüngst im DEUTSCHLANDFUNK darauf geantwortet: null. Und ihm wurde nicht widersprochen.

Alles deutet darauf hin, dass die eigentliche Gefahr aus dem privaten Bereich kommt: riesige Feiern mit Familien und Freunden, gemeinsames Essen, Trinken und Fröhlichsein, der nächtliche Bar- und Clubbetrieb, ad-hoc Zusmmenkünfte im Freien auf engstem Raum— und das meiste eben ohne ausgetüftelten Hygieneplan und nur mit allgemeinen Vorsichtsregeln (und dem erhobenen Zeigefinger der Politik!). In diesen Bereichen - und nur in diesen - müssen vorübergehend harte Verbote greifen. Ob sie wirken, ist natürlich nie ganz sicher, zumal der staatlichen Kontrolle im privaten Bereich zu Recht Grenzen gesetzt sind. Aber immerhin zielen sie - anders als die vielen Schrotschüsse der letzten Wochen - auf die richtige Stellen.

Verbote dieser Art beeinträchtigen auch nicht allzu stark das geregelte Leben der Menschen in ihrem wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Umfeld. Die Arbeit läuft weiter, Kita, Schule und Hochschule auch (wo möglich digital), und selbst der Kulturbetrieb kann sich normalisieren - natürlich alles mit ausgefeilten Hygienekonzepten, die auch regelmäßig überprüft werden. Aber bitte ohne einen staatlichen Aktionismus, der ständig an der Praxis herumregelt und damit Verbraucher und Produzenten verunsichert.

Dabei geht es nicht in erster Linie um wirtschaftliche interessen, sondern um Lebenschancen im Sinne des großen Liberalen Ralf Dahrendorf. Auch unter den massiv erschwerten Bedingungen der Corona-Pandemie haben Politik und Staat die Aufgabe, möglichst vielen Menschen zu erlauben, sich in ihrer Arbeit und ihrem Gewerbe zu verwirklichen. Es geht eben auch um Leidenschaft und Motivation, die treibenden Kräfte einer fruchtbaren dynamischen Gesellschaft. Die dürfen nicht zertreten werden. Dies gilt vom Industrie- bis zum Kulturbetrieb. Gelingt es sie zu erhalten, dann findet die Rationalität der Politik ihr Gegenstück in der Kreativität der Menschen. Auch in schwierigen Zeiten!