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Bildung
Zeit für einen Föderalismus 4.0

Das neue Bildungsbarometer des Münchner ifo-Instituts stützt die liberale Forderung nach einem Neudenken des Bildungsföderalismus.
Neustart Bildung
Der Schulstart findet dieses Jahr unter erschwerten Bedingungen statt. © picture alliance/dpa | Andreas Arnold


In dem Thesenpapier „Beste Bildung bis 2030“ fordern wir unter anderem einen Föderalismus 4.0, um das deutsche Bildungssystem fit für den globalen Wettbewerb zu machen. Dabei geht es nicht um eine Abschaffung des Bildungsföderalismus, der schließlich auch – ganz im liberalen Sinne – Wettbewerb und Experimente ermöglicht. Stattdessen muss eine „Subsidiarität 4.0“ als Instrument entwickelt werden, „mit der Dezentralität eben bis auf die unterste mögliche Ebene durchgereicht wird und einzelnen Schulleitungen weitreichende Freiheiten zur selbst gewählten und eigenverantwortlichen Ausgestaltung der Bildungsinhalte eingeräumt werden.“ Das ifo-Bildungsbarometer 2020, welches am vergangenen Mittwoch veröffentlicht worden ist, kann als klare Unterstützung gewertet werden. Über zehntausend Personen wurden befragt und über Ihre Meinung zu den wichtigsten Facetten des deutschen Bildungsföderalismus gebeten. Das Ergebnis ist eindeutig: Bessere Vergleichbarkeit, mehr Kooperation und der Abschluss eines Bildungsstaatsvertrags stehen ganz oben auf der Wunschliste der Deutschen.

Bildung ist Ländersache

Ganze 70 Prozent sprechen sich für die Einrichtung eines Nationalen Bildungsrates aus, den Abschluss eines Bildungsstaatsvertrages wünschen sich sogar 83 Prozent. Hierdurch sollen verbindliche Bildungs- und Kompetenzstandards festgeschrieben werden und auch der gemeinsame Aufgabenpool für Abiturprüfungen weiter vorangetrieben werden. Das Ziel solcher Initiativen – nämlich eine bessere Vergleichbarkeit der Leistungen der Schülerinnen und Schüler – halten 88 Prozent der Befragten für eher wichtig oder sogar sehr wichtig. Dies gilt sowohl für einheitliche Abschlussprüfungen, einheitliche Lehrpläne sowie ein „Gemeinsames Kernabitur“ in Mathematik, Deutsch und Englisch. Eine Kernforderung unseres Thesenpapiers „Beste Bildung bis 2030“ findet ebenfalls Unterstützung: 73 Prozent der Befragten sind dafür, dass das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern aufgehoben wird. Der nächste Schritt wäre aus liberaler Sicht die Verankerung eines Kooperationsgebots.

„Bildung ist Ländersache“ lautet ein zentrales Mantra des deutschen Bildungssystems, doch die Realität ist oft komplexer. Bei beruflicher Bildung, Hochschulzulassung und Forschungsförderung hat der Bund vielfältige Kompetenzen. Hinzu kommt der Digitalpakt Schule, für den sogar eine Grundgesetzänderung vorgenommen worden ist. Das ifo-Bildungsbarometer 2020 unterstreicht die Notwendigkeit, den Bildungsföderalismus neu zu denken, ohne die Komplexität aus den Augen zu verlieren. Keinesfalls darf es zu einer Nivellierung der Leistungsanforderungen kommen, wie sie der Präsident des Verbands Deutscher Realschullehrer, Jürgen Böhm, angesichts der „scheinbaren Patentlösung Zentralismus“ fürchtet. Mit Blick auf die Disparitäten zwischen den Bundesländern, die sich zuletzt im INSM-Bildungsmonitor 2020 gezeigt haben, wäre dies auch politisch unmöglich durchzusetzen. Die Spitzenreiter, so die berechtigte Sorge, müssten ihre Standards nach unten „korrigieren“, andere Bundesländer blieben überfordert. Schon beim gemeinsamen Aufgabenpool für die Abiturprüfungen musste Bremen in diesem Jahr beispielsweise die Noten nachträglich anheben.

Digitalpakt geht in die richtige Richtung

Das ifo-Bildungsbarometer 2020 unterstreicht, dass die Bevölkerung die Defizite des Bildungsföderalismus klar erkennt. Es ist schließlich auch niemandem zu erklären, warum die Lernchancen der Schülerinnen und Schüler vom Bundesland abhängen. Eine einfache Lösung gibt es aber nicht. Der gemeinsame Aufgabenpool der Länder ist ein gangbarer Weg, um Vergleichbarkeit zu erzeugen, ohne die Kompetenzen der Länder zu stark zu beschneiden. Der Schlüssel für die beste Bildung liegt freilich weder beim Bund noch in den Ländern, sondern in den Schulen selbst. Diese müssen mehr Freiräume erhalten, um eigene Konzepte zu implementieren und sich auf die pädagogischen Kernaufgaben zu fokussieren. Der Bund hat hier vielfältige Möglichkeiten, um unterstützend zur Seite zu stehen, ohne den Bildungsföderalismus zu untergraben. Das wichtigste Beispiel wäre eine bürokratiearme Verbesserung der digitalen und analogen Infrastruktur. Der Digitalpakt geht zwar in die richtige Richtung, es hat sich aber gezeigt, dass selbst inmitten der Coronakrise nur ein Bruchteil der dringend benötigten Mittel für den digitalen Fernunterricht abgerufen worden ist. Weiter Vorschläge finden sich im Thesenpapier „Beste Bildung bis 2030“.