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Bildung
So sollte die Schule der Zukunft aussehen

Die Coronakrise hat uns schmerzlich vor Augen geführt, wie groß unser Handlungsbedarf in der Bildungspolitik ist. Die verschlafene Digitalisierung ist nur ein Symptom.
Bildung der Zukunft
© picture alliance / Ina Fassbender/dpa | Ina Fassbender  

Die Corona-Pandemie öffnet uns die Augen. Viele der nun offengelegten Defizite waren an sich lange schon erkennbar. Das gilt in besonderem Maße für das Bildungswesen. Die vielerorts verschlafene Digitalisierung ist dabei eigentlich nur ein Symptom.

Trotz der allgemein geteilten Einsicht, dass sich am Erfolg des Bildungswesens das Schicksal künftiger Generationen entscheidet, setzt niemand konsequent um, was längst hätte geschehen müssen. Anspruch muss sein, das bestmögliche Bildungssystem zu schaffen. Zukünftige Generationen haben keine geringere Erwartung.

Im Vordergrund steht, dass jeder Mensch unabhängig von Herkunft und Geschlecht in jeder Lebensphase und immer wieder von Neuem jene Bildung erhält, die für die freie und vollumfängliche Entfaltung der eigenen Talente und Fähigkeiten notwendig ist. Diese Zielsetzung wird in der Praxis kläglich verfehlt. Das zu korrigieren, ist Absicht einer heute veröffentlichten Broschüre der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

Vor allem müssen vielfältig bestehende Bildungsungerechtigkeiten reduziert werden. Deshalb sollten sich Bund, Länder und Kommunen auf einen Zukunftspakt „Beste Bildung für alle“ verständigen. Natürlich ist und bleibt Bildung Ländersache. Und ebenso unstrittig hat der deutsche Föderalismus durchaus seine Stärken. Er ermöglicht Wettbewerb und Experimente. 

In einem Föderalismus 2030 müssten sich jedoch Bund und Länder weit besser als heute ergänzen. Auch hier wird „hybrid“ zum neuen Erfolgsmotto – also das optimale Ineinandergreifen unterschiedlicher Ebenen. Ziele sollten eher zentral festgelegt werden. Wege hingegen können unterschiedlich gewählt werden. 

Subsidiarität könnte sogar dafür sorgen, dass Dezentralität bis auf die unterste mögliche Ebene durchgereicht wird. Einzelnen Schulleitungen sind weitreichende Freiheiten zur selbst gewählten und eigenverantwortlichen Ausgestaltung der Bildungsinhalte einzuräumen.

Start-up-Kultur in Schulen

Gerade die ersten Jahre der frühkindlichen Entwicklung sind entscheidend für den späteren Bildungserfolg. Deswegen sind Kindertagesstätten als tragende Säule des Bildungssystems aufzuwerten. Ein verpflichtendes Kita-Jahr sowie standardisierte frühkindliche Lernstandskontrollen sollen sicherstellen, dass kein Kind in dieser prägenden Phase benachteiligt wird.

Im Zentrum einer Agenda „Beste Bildung für alle“ steht die Schule der Zukunft. Sie wirkt als agiles, dynamisches und zunehmend auch hybrides Ökosystem mit professionellen Schulleitungen und engagierten Lehrkräften. Schule muss eine Start-up-Kultur entwickeln, in der auf allen Ebenen und bei allen Beteiligten Leistungsbereitschaft, Eigeninitiative und Kreativität feste Plätze einnehmen. 

An der Schule der Zukunft übernehmen speziell ausgebildete und entsprechend kompetente Verwaltungs- oder IT-Kräfte die nichtpädagogischen Alltagsaufgaben. Ihren Charakter als „Werkstätte der Humanität“ (Comenius), in der „die Menschen wirklich Menschen werden“, soll sie dabei nicht verlieren, sondern wiedergewinnen.

Die Schule der Zukunft wird ein Hybrid aus Präsenz- und Digitalunterricht: Klassenraum und Cloud ergänzen sich auch nach der Coronakrise. Jede Schülerin und jeder Schüler wird mit individuellen Lernprogrammen unter Einbeziehung von Künstlicher Intelligenz gefördert. Digitalisierung ist dabei allerdings nur ein pädagogisches Hilfsmittel. 

Charakterbildung und die Entwicklung von Kompetenzen wie Führungsstärke, Kommunikationsfähigkeit und Resilienz benötigen auch weiterhin menschliche Interaktion. Um Bildungsgerechtigkeit sicherzustellen, ist es wichtig, dass neben Eltern und Lehrkräften neue Formen der Bildungsbegleitung durch Coaches und Mentoren entwickelt und gestärkt werden.

Duale Bildung über alle Bildungswege führt zu mehr Durchlässigkeit und lässt die Grenzen zwischen akademischer und beruflicher Bildung verschwimmen. In alle Bildungswege ist der Umgang mit Zukunftstechnologien einzubeziehen. Hochschulen müssen als Innovationsräume verstanden werden, die Kreativität ermöglichen, Wissenschaftsfreiheit schützen und den Transfer von Wissen in die Gesellschaft und die Wirtschaft fördern. 

Fort- und Weiterbildung sind lebenslange Projekte. Auch wer bereits im Beruf steht und sich um die Familie kümmert, soll auf die zeitlichen und finanziellen Ressourcen für beste Bildung zählen dürfen.

Deshalb bedarf es neuer staatlicher Unterstützung für alle Altersstufen. „Bafög für alle“ ein Leben lang und eben nicht nur für Studierende in jungen Jahren muss zum neuen bildungspolitischen Förderinstrument werden. 

Ein erster Schritt wären kostenlose Bildungsgutscheine, die einmal alle zehn Jahre eine unbürokratische Fort- und Weiterbildung ermöglichen. Eine lebenslange Bildungsförderung ist nicht billig. Ein Verzicht darauf jedoch wird teurer.

 

Der Artikel erschien am 1.09.2020 im Handelsblatt und ist online auch hier zu finden.