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Arbeitsmarkt
Über die Zukunft der Arbeit

Nach dem Arbeitsmarktkongress 2019

Der Arbeitsmarkt und die Berufsbilder wandeln sich tiefgreifend und nachhaltig: Demografischer Wandel, Digitalisierung, Fachkräftemangel und der Wandel von Lebenseinstellungen sind die Treiber der Veränderungen – und stellen Wirtschaft und Politik vor große Herausforderungen. Zu langfristigen Strukturveränderungen kommen aktuell wieder konjunkturelle Sorgen, die über ein Jahrzehnt vergessen schienen. Auf dem Arbeitsmarktkongress 2019 der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Kooperation mit dem Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V. (BAP) und dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. (iGZ) diskutieren Experten aus Politik und Wirtschaft über die Zukunft der Arbeit.

Bereits in der Begrüßungsrede durch den Vorsitzenden der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Prof. Dr. Karl-Heinz Paqué, kristallisierten sich die zentralen Diskussionspunkte der Veranstaltung heraus: Die zunehmende Digitalisierung, die Etablierung von flexiblen Arbeitszeitenmodellen sowie der gravierende Fachkräftemangel. Insbesondere der Bedarf nach jungen, dynamischen und gut ausgebildeten jungen Menschen stellt die Arbeitgeber vor große Herausforderungen. Um die Perspektive der dabei angesprochenen Millenials zu beleuchten, hielt Dr. Steffi Burkhart einen Impulsvortrag zur Bedeutung des Human Capitals im modernen, digitalisierten Arbeitsmarkt. Zentrum des Vortrages war das seit den 90er-Jahren genutzte Aconym VUCA, bestehend aus den Begriffen volatility ‚Volatilität‘, ‚Unbeständigkeit‘, uncertainty ‚Unsicherheit‘, complexity ‚Komplexität‘ und ambiguity ‚Mehrdeutigkeit‘. Dies zeigt sich auf vielfältige Weise: Da die meisten Babyboomer bis 2030 in Rente gehen werden, herrsche bereits heute ein Kampf um junge Talente, die als Treiber von Veränderungen ganze Branchen völlig verändern – man betrachte dabei Unternehmen wie Uber oder AirBnB. Auch die verkrusteten Strukturen in den Unternehmenskulturen erschweren es zunehmend, so Burkhart, im „War for Talents“ zu bestehen. Vor diesem Hintergrund stehen Unternehmen vor einem strategischen Wendepunkt, ist Burkhart überzeugt. Es braucht kontinuierliche Weiterbildung und den strategischen Ausbau eines Talentpools. So entscheiden künftig die Investitionen in das intellektuelle Kapital über die Erfolgsaussichten von Unternehmen.

"Wir brauchen Investitionen in Menschen und Technologie. Eine Konzentration auf eines von beiden wird nicht funktionieren“

Dr. Steffi Burkhart
Dr. Steffi Burkhart

Zudem könnten Unternehmen ihre Attraktivität für junge Menschen steigern, wenn sie diesen mehr kreative Freiräume einräumen. Es gebe eine Generation junger Menschen, die gerne gründen möchte, es aufgrund der Bürokratie hierzulande aber nicht kann. Diese schöpferische Kreativität könne auch in Unternehmen ausgelebt werden, wenn die entsprechenden Rahmenbedingungen vorherrschen.

Die schwerfällige und überbordende Bürokratie ist auch ein Thema, dass die Arbeitsverbände stark belastet, wie sich in der anschließenden Diskussionsrunde zeigte. Jasmin Arbabian-Vogel, Präsidentin des Verbands deutscher Unternehmerinnen e.V. (VdU), Christian Baumann, Bundesvorsitzender des Interessensverbands deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. (iGZ) und Sebastian Lazay, Präsident des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister e.V. (BAP) waren sich schnell einig, dass die Bürokratie in Deutschland eines der größten Hemnisse für die Weiterentwicklung hin zu einem modernen Arbeitsmarkt ist. Die Belastung der Wirtschaft durch die Bürokratie verdeutlichte Sebastian Lazay, als er darauf hinwies, dass „wir eine Schriftformerfordernis für Arbeitnehmerüberlassungen benötigen, auch wenn es nur um einen Tag Arbeit geht“.

Auch die von Dr. Steffi Burkhart im Impulsvortrag vorgebrachte Thematik der „Unbeweglichkeit“ von Politik und Unternehmen wurde diskutiert – verdeutlicht am Beispiel des agilen Arbeitens, das insbesondere von jungen Menschen eingefordert werde. So stimmte Arbabian-Vogel zu, dass agiles Arbeiten nicht bedeute „Wände raus, Kicker hinstellen, und dann kriegen wir schon gute Arbeitskräfte“, sondern vielmehr mit einem kulturellen Wandel einhergehe. Politik, Gewerkschaften und Unternehmen verharrten jedoch in ihrer Starre. Dennoch, so stellte Sebastian Lazay klar, sind eben nicht nur die Jüngeren, sondern gerade auch ältere Generationen wichtig: „Wir haben auch viele Ältere, die treibende Kräfte sind.“

Dass auch ältere Generationen treibende Kräfte auf dem Arbeitsmarkt und im Unternehmen sein können, erkannte auch Johannes Vogel MdB (FDP) im zweiten Panel des Tages mit Dr. Martin Rosemann MdB (SPD), Kai Whittaker MdB (CDU), Beate Müller-Gemmeke MdB (Grüne). Auch deshalb müsse Deutschland sich von der lähmenden Debatte eines starren Renteneintrittsalters freimachen. Lebenswege sein individuell und Politiker nicht berechtigt, zu entscheiden wer wann in Rente gehe. Auch müsse es deutlich mehr Flexibilität im Arbeitszeitgesetz geben, da die derzeitigen Arbeitsbedingungen den Bedürfnissen der Arbeitnehmer nicht mehr entsprächen. Auch hier – und da stimmten alle anwesenden Bundestagsabgeordneten überein – spiele die Digitalisierung eine zentrale Rolle. So bestehe die Gefahr, gleichzeitig Arbeitslosigkeit und Fachkräftemangel zu haben, da durch die Digitalisierung Arbeitsplätze wegfallen, gleichzeitig die benötigte Weiterbildung in den Bereichen nicht vorhanden ist. Die Politik müsse daher, so Müller-Gemmeke, in die Qualifizierung und Weiterbildung bis hin zum Zweitstudium investieren.

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Die Chancen der Digitalisierung für den Arbeitsmarkt möchte vor allem Johannes Vogel nutzen. Dazu bedürfe es jedoch einer umfassenden Agenda mit „Weiterbildung für jeden, Flexibilität der Arbeitszeit, Lebenslaufhoheit und einem Sozialstaat, der zu den Bedürfnissen der Menschen passt.“ Dr. Martin Rosemann hingegen betonte den Wert der Gewerkschaften und Verbände, die auch in Zeiten flexibler Arbeitszeitmodelle, Rahmenbedingungen aushandeln könnten und somit eine zentrale Rolle, auch in künftigen Prozessen am Arbeitsmarkt, spielen werden.

So zeigte sich: Die Arbeitswelt steht vor gravierenden Veränderungen und großen Herausforderungen. Vorschläge und Ideen werden im politischen Raum zahlreich verhandelt. Aus unternehmerischer Sicht beginnen die Probleme jedoch viel früher und könnten entsprechend einfach gelöst werden – man denke allein an den Bürokratieabbau.