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Antisemitismus
Wachsende Besorgnis

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

© Tobias Koch

Dieser Artikel wurde zuerst am 28. Januar in der Rheinischen Post Online veröffentlicht und ist online auch hier zu finden

Nach den ersten vier Wochen im Amt bestätigt die NRW-Antisemitismus-Beauftragte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ein „deutlich angespannteres Klima“.

Seit dem Jahresbeginn ist die frühere Bundesjustizministerin und FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger auch offiziell in ihrem Amt als erste Antisemitismus-Beauftragte Nordrhein-Westfalens aktiv. Am Montag kam sie nach dem Holocaust-Gedenktag mit Integrations-Staatssekretärin  Serap Güler gerade von einer Reise nach Auschwitz und Birkenau zurück. Nach knapp vier Wochen kann Leuthheusser-Schnarrenberger bereits von zahlreichen Gesprächskontakten berichten. Und die bestätigen allesamt, warum CDU, FDP, SPD und Grüne unbedingt eine solche Antisemitismus-Beauftragte wollten.

„Jüdische Organisationen sprechen von großer Besorgnis, weil antisemitische Vorfälle und Übergriffe immer sichtbarer werden“, fasst die Beauftragte zusammen. Viele jüdische Gemeinden treibe es um, dass Kippa-Träger angegriffen würden und häufiger auf Schulhöfen „Jude“ als Schimpfwort verwendet werde.

Nach einem ersten Austausch mit den übrigen sieben Antisemitismus-Beauftragten in Bund und Ländern weiß Leutheusser-Schnarrenberger: „Wir haben ein deutlich angespannteres Klima.“ Vieles bleibe derzeit noch im Dunkelfeld verborgen, weil es weder von der Polizeilichen Kriminalstatistik noch von der Statistik politisch motivierter Gewalt erfasst werde. „Dafür wollen wir auch in NRW eine Plattform schaffen, um einen genauen Einblick in die Zusammenhänge des Antisemitismus zu haben“, kündigt die Beauftragte an. Über diese Internetpräsenz könnten Zeugen und Opfer ihre Erlebnisse berichten oder sich auch direkt an die Beauftragte wenden, schließlich ist sie auch Ansprechperson für alle von Antisemitismus Betroffenen. Das ist ein weites Feld: Im Jahr 2017 war die Zahl der antisemitischen Straftaten um neun Prozent auf 324 gestiegen. Das war ein Auslöser für den Vorstoß der Fraktionen.

Leutheusser-Schnarrenberger verspricht sich von den über die Polizeidaten hinausgehenden Angaben auch ein klareres Bild, ob der Antisemitismus derzeit mehr aus rechtsextremistischen oder muslimischen Zusammenhängen kommt. Ihren ersten Jahresbericht will sie Anfang nächsten Jahres vorlegen.

Darin will sie auch Beispiele für gelungene Prävention nennen. Hier gehe es um Information, Aufklärung, Bildung, das Herstellen von Kontakte und das Initiieren von Projekten. „Wir brauchen unbedingt auch einfache Argumente, mit denen möglicherweise Verunsicherte Antisemitismus begegnen können“, lautet eine weitere Aufgabe, die sich Leutheusser-Schnarrenberger selbst gestellt hat.

Auch erste Besuche in Schulen hat die Beauftragte bereits absolviert - und dabei die Erkenntnis gewonnen, dass es schon „sehr viele gute Projekte“ gebe, die sich mit dem Holocaust und den Lehren für heute daraus beschäftigten. Darin sieht die Politikerin eine weitere Funktion: „Ich möchte sie koodinieren, damit die Interessenten besser voneinander wissen.“