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Amerika träumt weiter

Rassendiskriminierung in den USA 50 Jahre nach dem Tod von Martin Luther King Jr.
Amerika träumt weiter
Martin Luther King Jr. kämpft für die Bürgerrechte der Afroamerikaner © CC BY-SA 4.0 commons.wikimedia.org

Vor genau 50 Jahren wurde die wohl talentierteste, überzeugendste und progressivste Stimme der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung gewaltsam zum Schweigen gebracht. Der Schock über das tödliche Attentat auf Martin Luther King Jr., das am 4. April 1968 in Memphis, Tennessee verübt wurde, hallt bis heute nach. King konnte während seiner Lebzeit bedeutende Fortschritte für die Rechte der Afroamerikaner erzielen. Seine Ermordung hinterließ tiefe Trauer und Wut in der amerikanischen Öffentlichkeit. Sein Lebenswerk prägte eine neue Generation von Bürgerrechtlern, die an seinem Traum von Gleichberechtigung festhielten. Doch dieser Traum bleibt bis heute unerfüllt.

Das Thema Rassendiskriminierung im Amerika des 21. Jahrhunderts ist aktueller denn je. Die soziale Mobilität der Afroamerikaner bleibt eingeschränkt. Sie kommen weder in den Genuss gleicher wirtschaftlicher Chancen noch gleicher Bildungschancen. Das Aufkeimen der „Black-Lives-Matter“-Bewegung auf der einen und ein Erstarken der alternativen Rechte auf der anderen Seite führte den Amerikanern zudem vor Augen, dass in den Vereinigten Staaten ein Kulturkampf tobt, in dem längst überwunden geglaubte Ressentiments eine entscheidende Rolle spielen.

Barack Obama – Hoffnungsträger trifft auf Realität

Mit dem Wahlsieg Barack Obamas im Jahre 2008 verband vor allem die afroamerikanische Community der USA große Hoffnungen. Präsident Obama versinnbildlichte geradezu die überwundene Diskriminierung der Afroamerikaner. Auch wenn Obama gerade im Bereich Gesundheitswesen und Strafrecht Fortschritte erzielen konnte, haben sich die Probleme der Rassendiskriminierung in den USA nicht in Luft aufgelöst, nur weil ein afroamerikanischer Präsident die Geschicke des Landes acht Jahre lang lenkte. Letztlich war der größte Erfolg von Obamas Amtsjahren sein Wahlsieg und seine Amtseinführung – für viele seiner Unterstützer, die einen großen Wurf erwartet hatten, eine bittere Enttäuschung, die sich auch in Meinungsumfragen widerspiegelte: Waren 71 Prozent aller Afroamerikaner im Jahr 2009 noch davon überzeugt, dass Obamas Wahl ein Meilenstein im Gerechtigkeitskampf sei, so waren es sieben Jahre später nur noch 51 Prozent.

Protestmarsch in Charlottesville - Ein neu entfachter Kulturkampf

Zuletzt zeigten die hasserfüllten und für eine Gegendemonstrantin tödlich verlaufenen Proteste eines rechten Bündnisses in Charlottesville, dass Amerikas Vergangenheit die Gesellschaft immer wieder einholt. Die in Charlottesville offenbarte Symbiose zwischen Neokonföderierten, Neonazis und der „Alt-Right“-Bewegung verschärft den lange währenden Kulturkampf um konföderierte Symbole in den USA. Vorfälle wie diese führen der amerikanischen Gesellschaft vor Augen, dass das Aufkeimen reaktionären Gedankenguts weit mehr ist als ein temporäres Internetphänomen. Auch geht es nicht primär um die exzentrischen Anführer der „Alt-Right“-Bewegung, die sich seit der Wahl von Donald Trump ideologisch im Aufwind fühlen. Es geht vielmehr um ein nur ungenügend aufgearbeitetes Kapitel amerikanischer Geschichte, dessen Verklärung weit mehr Amerikaner anhängen, als sich die aufgeklärten Eliten eingestehen wollen. Dass diese Aufarbeitung ausgerechnet unter einem Präsidenten Trump beginnen wird, darf bezweifelt werden.

Amerika träumt weiter
Donald Trumps Entscheidungen sorgen immer wieder für Entsetzen. © CC BY-SA 2.0 flickr.com/ Gage Skidmore

„America first“ – Doch welches Amerika?

Ein großer Teil der afroamerikanischen Community befürchtete, dass mit der Wahl von Trump, der nicht zuletzt durch die fehlende Abgrenzung zum Lager der „Alt-Right“ auffiel, ihre Belange in Washington künftig weniger Gehör finden oder sie gar mit repressiver, neuer Gesetzgebung zu rechnen haben. Doch finden sich bislang wenige konkrete Gesetzesvorhaben, die speziell das Leben der Afroamerikaner beeinflussen könnten. Es scheint vielmehr so zu sein, als besitze die Thematik keine allzu hohe Priorität auf Trumps Agenda. Einige politische Maßnahmen der Trump-Administration haben jedoch indirekt einen negativen Einfluss auf die Community, der nach Meinung zivilgesellschaftlicher, progressiver Akteure auch genau in dieser Form intendiert ist. Neben seinen rassistisch geprägten Kommentaren und Twitter-Ausrastern sorgen zudem Trumps Personalentscheidungen, bei denen überproportional viele weiße Kandidaten, die zuvor teilweise mit rechtspopulistischen Äußerungen auffielen, den Zuschlag erhielten, für Entsetzen unter seinen Kritikern.

Auch wenn sich die politischen Überzeugungen von Obama und Trump nicht nur in diesem Politikbereich diametral gegenüberstehen, fielen bzw. fallen beide Präsidenten eher durch Symbolik und Rhetorik als durch handfeste politische Maßnahmen auf. Während sich die Lage der afroamerikanischen Minderheit in den USA unter Obama marginal verbesserte, hat sie sich bislang unter Trump auch nur marginal verschlechtert.

Die USA sehen sich heute mit alten und neuen Herausforderungen konfrontiert, die so tief verwurzelt sind, dass sie nicht binnen einer Präsidentschaft gelöst werden können. Die gesellschaftliche und politische Spaltung des Landes resultiert keineswegs aus dem teils schmutzigen Präsidentschaftswahlkampf 2016. Vielmehr ist der Erfolg Trumps ein Symptom der sozialen Ungleichheiten, die die Vereinigten Staaten auch fünfzig Jahre nach dem Tod Martin Luther Kings immer noch quälen.

Iris Froeba ist Policy Analyst and Media Officer, Transatlantisches Dialogprogramm, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

Gereon Wiese ist Praktikant im Bereich Transatlantisches Dialogprogramm, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

 

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