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Alles andere als ein Luftkurort

Unser Stipendiat Julius Hey über sein Auslandssemester in Delhi
Stipendiat Hey

Stipendiat Hey auf dem Campus des Indian Institute of Technology (IIT) mit Kommunikationsreferentin Vineeti Singh und Regionalbürleiter Dr. Ronald Meinardus

© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Unser Stipendiat Julius Hey verbrachte sein Auslandssemester an einer Eliteuniversität in Indien. Vor seiner Rückkehr nach Deutschland sprach er mit freiheit.org über seine Erfahrungen.

Sie haben die letzten fünf Monate am renommierten Indian Institute of Technology (IIT) studiert: Wie ergeht es einem liberalen Studenten aus Westeuropa an einer indischen Eliteuniversität?

Indien rühmt sich, die größte Demokratie der Welt zu sein. Ich muss gestehen, ein Auslandssemester an der IIT Delhi hat definitiv nicht der politischen Weiterbildung gedient. Politik spielt auf dem Campus augenscheinlich keine große Rolle. Das IIT ist eine staatliche Universität, der Fokus liegt auf Exzellenz bei der wissenschaftlichen und technischen Bildung und Forschung. Bei anderen Unis ist das ganz anders, beispielsweise der Jawaharlal Nehru University (JNU). Das merkt man schon beim Vorbeigehen –  politische Graffiti soweit das Auge reicht und überall Plakate an den Wänden.

Die IITs genießen einen hervorragenden Ruf – auch international. Gerade für mich als Finanzmathematiker sind die Arbeitsbedingungen ausgezeichnet. Natürlich war die wissenschaftliche Komponente nur ein Faktor für meinen Entschluss, das Auslandssemester in Indien zu machen. Vor allem wollte ich auch aus meiner Komfortzone ausbrechen.

Fünf Monate in Indien sind mit etlichen Abstrichen verbunden. Doch im Gegenzug habe ich eine völlig neue Kultur kennengelernt. Am Anfang war alles sehr hektisch und chaotisch, das war nicht einfach. Doch das Niveau im Seminarraum, die wirklich hervorragenden Bedingungen auf dem Campus haben schnell alle Zweifel vergessen lassen.

Ich habe die Zeit auch genutzt, über den Tellerrand zu blicken, Kurse anderer Fachrichtungen belegt. Das hat mir geholfen, etwas tiefer in die Geschichte, die Entwicklung und die  Probleme Indiens einzutauchen. Bei aller Dynamik bleibt Indien ein Entwicklungsland. Das Kastensystem etwa mit all seinen Facetten und Problemen ist für einen Ausländer auf dem Campus kaum erkennbar, bleibt aber, wenn man näher hinhört, ein brisantes gesellschaftspolitisches Thema. Sich darüber mit indischen Kommilitonen auszutauschen, war ein prägendes Erlebnis.

Neu-Delhi ist alles andere als ein Luftkurort. Die Top-Nachricht aus Indien in den zurückliegenden Wochen war die grauenhafte Luftverschmutzung. Wie sind Sie mit dem Smog-Notstand umgegangen?

Meine Uni hat unheimlich schnell auf die dramatischen Verhältnisse reagiert und uns aufgerufen, Schutzmasken zu tragen. Nicht alle sind dem Aufruf gefolgt. Viele Studenten und Studentinnen haben lieber die Flucht ergriffen aus der vernebelten Stadt. Mir hatten Freunde schon Wochen vorher gesagt, ich sollte mich für die Zeit des Diwali-Festes, wenn die Feuerwerke, die überall gezündet werden die Luft vergiften, etwas einfallen lassen. Ich bin dem Rat gefolgt. Das Ergebnis: ein einzigartiger Ausflug zu der Familie eines indischen Freundes, etwas abseits vom Trubel, aber mit deutlich besseren Luftverhältnissen.

Smog
Dieser Tage ein häufiger Anblick - dicke Luft über Delhi © CC0 Pixabay.com/ alvpics

Andere haben trotz des dichten Smogs nicht auf ihren täglichen Spaziergang verzichtet. Auch daran wurde mir klar, dass Umwelt und Gesundheit bei vielen Indern, auch unter Studenten, kein großes Thema ist.

Was nehmen Sie nach fast einem halben Jahr in Indien mit und was ist die Botschaft an junge Deutsche – von denen viele auf gepackten Koffern sitzen, aber eher andere Reiseziele haben als Südasien?

Im Vorfeld hatten Freunde in Deutschland mich gewarnt - oft mit dem leicht hämischen Unterton „INDIA = I Never Do It Again“.

Im Nachhinein kann ich dem nur widersprechen. Ich hatte eine  tolle Zeit. Ich habe eine Menge gelernt: ein Auslandsstudium an der IIT verlangt sehr gutes Zeitmanagement und Disziplin, vor allem, wenn man Lernen und Reisen unter einen Hut bekommen will. Das hohe Niveau erfordert Nachbereitung. Die Studenten hier sind gut vernetzt, und wenn ich Fragen oder Probleme hatte, sind mir die indischen Kommilitonen schnell zur Seite gesprungen. So haben sich schnell Freundschaften entwickelt, die auch nach der Rückkehr nach Deutschland Bestand haben werden. 

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Kurz: Das Auslandssemester in Indien war ein spannendes Abenteuer mit vielen Herausforderungen und einem einzigartigen Einblick in eine ganz neue Kultur. Ich kann jedem ein Auslandsstudium – oder einen Urlaub – in Indien empfehlen. Ich selbst freue mich jetzt schon auf meine nächste Reise nach Indien.

Das Interview führte Ronald Meinardus, Regionalbüroleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit für Südasien.