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2018 – Das Wahljahr der Frauen?

Im Vorfeld der US-„Midterm elections“ 2018 ist das Interesse an einer Kandidatur unter Frauen deutlich gestiegen
Women's March
Teilnehmerinnen am Women's March in New Yorck City im Januar 2018 © CC BY-SA 4.0 commons.wikimedia.org/ Rhododendrites

Das vor uns liegende US-Wahljahr wird von einigen Beobachtern in Erinnerung an die Präsidentschaftswahl des Jahres 1992 als „Jahr der Frauen“ deklariert. Damals wurden so viele Frauen wie nie zuvor in den Kongress gewählt. Gegenwärtig ist allerdings nur jeder fünfte US-Parlamentarier weiblich. Von insgesamt 105 Frauen im Kongress sitzen 23 im Senat und 83 im Repräsentantenhaus. Fünf weitere Frauen repräsentieren als nicht stimmberechtigte Mitglieder des Repräsentantenhauses die Überseegebiete Amerikanisch-Samoa, Guam, Puerto Rico, die U.S. Virgin Islands sowie den District of Columbia. Den Gouverneursposten haben landesweit nur sechs Frauen inne.

Bei den anstehenden „Midterm elections“ im November dieses Jahres könnten sich diese Verhältnisse ändern. Statistiken des „Center for American Women and Politics“ zufolge haben bereits 464 Frauen ihre Absicht erklärt, sich für Mandate im Kongress zur Wahl zu stellen. 52 Kandidatinnen möchten sich für den Senat, 412 für das Repräsentantenhaus bewerben. 79 weitere Frauen haben Interesse bekundet, für Gouverneursposten zu kandidieren. Damit planen mehr als doppelt so viele Kandidatinnen ins Rennen zu gehen als noch vor zwei Jahren. Die Liste der Interessentinnen wird über die nächsten Monate hinweg jedoch dünner werden. Zum einen sind die Fristen, um sich für eine Kandidatur aufstellen zu lassen, in einigen Bundesstaaten noch nicht abgelaufen, was bedeutet, dass einige potenzielle Bewerberinnen ihre Kandidatur vielleicht doch noch zurückziehen werden. Zum anderen müssen sich diejenigen Kandidatinnen, die bereits registriert sind, in den Vorwahlen behaupten. Trotzdem ist der Zuwachs an Frauen beachtlich. „Diese Zahlen oder Statistiken sind nicht einfach nur interessant, diese Zahlen sind historisch“, bemerkte die demokratische Kongressabgeordnete Anna Eshoo, die erstmals im Jahr 1992, dem „Jahr der Frauen“, ins Repräsentantenhaus gewählt wurde.

Demokratisches Phänomen

Für den Zuwachs an Kandidatinnen gibt es keine eindeutige Erklärung. Auf demokratischer Seite kann man davon ausgehen, dass sich die meisten Bewerberinnen als Reaktion auf die Präsidentschaft Donald Trumps sowie die aufkeimende „#metoo-Bewegung“ zur Wahl stellen. Zum „Women's March" versammelten sich im Januar 2017 und 2018 Demonstrantinnen und Demonstranten in Washington, New York, Los Angeles, Chicago und 250 weiteren Städten. Sie demonstrierten für Frauenrechte und gegen die frauenfeindlichen Aussagen des U.S.-Präsidenten. „Donald Trump ist ein Geschenk, das die Motivation sich einzubringen, sich zu engagieren und dabei den Enthusiasmus nicht zu verlieren, immer wieder aufs Neue weckt“, kommentiert Deborah Walsh, Direktorin des „Center for American Women and Politics“, dieses Phänomen.

Tatsächlich sind drei Viertel der potenziellen Kandidatinnen für den Kongress und die Gouverneursposten Demokratinnen. Virginias 7. Kongressbezirk ist ein Mikrokosmos, der die Dynamik, die sich im ganzen Land ausbreitet, adäquat widerspiegelt. Der Wahlbezirk wird derzeit vom Republikaner Dave Brat im Repräsentantenhaus vertreten. Auf demokratische Seite kämpfen derzeit vier Demokraten um die Nominierung; drei davon sind Frauen, die Brat, der als „Trumpist“ gilt, sein Mandat streitig machen wollen.

„Das gegenwärtige politische Klima hat viele Frauen gerade auf demokratischer Seite dazu angeregt, zu kandidieren“, sagt selbst die republikanische Wahlkampfberaterin Christine Matthews. „Auf republikanischer Seite hingegen wurde der Enthusiasmus gedämpft. Wenn wir ehrlich sind, ist es für republikanische Frauen gegenwärtig eine schwere Zeit.“ Bei den Demokraten gäbe es etliche Organisationen wie beispielsweise Emily’s List, die Frauen bei ihrer Kandidatur unterstützten und einen gewaltigen Unterschied machen würden. Auf republikanischer Seite gebe es zwar ähnliche Organisationen, jedoch nicht im vergleichbaren Ausmaß, weshalb Republikanerinnen nicht in gleichem Maße unterstützt würden.

Emily's List
Jessica O'Connell, Geschäftsführerin von EMILY's List, und U.S. Congresswoman Ann Kirkpatrick im Gespräch mit Unterstützerinnen © CC BY-SA 2.0 Flickr.com/ Gage Skidmore

Die Vorsitzende von „Emily’s List“ Stephanie Schriock verkündete, dass sich seit der Präsidentschaftswahl 2016 mehr als 30.000 Frauen an die Organisation gewandt hätten, um ihr Interesse an einer Kandidatur zu bekunden. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahl waren es nur 920 Frauen. „Dies ist weder eine Momentaufnahme noch eine Modewelle. Dies ist eine grundlegende Veränderung“, kommentierte Schriock den Run auf ihre Organisation. Zu den 30.000 interessierten Frauen gehörten aber nicht nur potenzielle Kandidatinnen für die diesjährigen „Midterms“. Darunter seien auch Frauen, die Interesse an zukünftigen Wahlkämpfen hätten oder Wahlkämpfe von Kandidatinnen unterstützen möchten. Es handele sich also um die nächste Generation von Führungspersönlichkeiten und Kandidatinnen. Auch wenn es nur ein schwacher Trost sei, sieht Schriock in dem gestiegenen politischen Interesse von weiblichen Wählerinnen einen Lichtblick der Trump-Präsidentschaft.

Andere Beobachter wiederum sehen in dem Phänomen einen tieferen Grund als die reflexartige Reaktion auf Trump oder die aufkochende Debatte über sexuelle Übergriffe gegen Frauen. Jennifer Duffy, die für den Newsletter „The Cook Political Report“ Wahlkämpfe analysiert, hat eine zunehmende Frustration beobachtet, die nicht erst mit der Wahl Donald Trumps einsetzte: „Diese Debatten sind alle sehr wichtig. Aber wenn es um Politik geht, herrscht große Frustration unter Frauen. Diese Frustration liegt darin begründet, dass die größten Probleme unseres Landes, die viele Frauen unmittelbar betreffen, nicht gelöst werden.“

Diese Frustration macht sich selbst unter Republikanerinnen breit. Auch wenn die Zahlen auf republikanischer Seite nicht so dramatisch sind wie bei den Demokraten, gibt es auch hier einen Zuwachs an Kandidatinnen. In diesem Jahr planen 23 Republikanerinnen für den Senat, 93 für das Repräsentantenhaus und 30 für Gouverneursposten zu kandidieren. Missy Shorey, Geschäftsführerin der republikanischen „Maggie’s List“, kritisiert, dass viele Republikanerinnen das Gefühl haben, beim Thema Gender-Politik ausgeschlossen zu werden. „Bei vielen Demonstrationen werden konservative Frauen schlicht nicht eingeladen. Genau genommen werden wir manchmal sogar ausgeladen.“ Trotz der Flut demokratischer Kandidatinnen blickt sie den Halbzeitwahlen optimistisch entgegen. In Mississippi, einem Bundesstaat, der bisher im Repräsentantenhaus ausschließlich von Männern repräsentiert wurde, buhlen gleich drei republikanische Frauen um die Nominierung ihrer Partei, um im November für den Posten des in den Ruhestand gehenden Republikaners Gregg Harper antreten zu können.

Wird die Flut ausgebremst?

Die ersten Vorwahlen fanden Anfang März in Texas statt. Auch im „Lone Star State“ ist die Zahl der Frauen, die in diesem Jahr ins Rennen gehen, in die Höhe geschnellt. Mehr als die Hälfte der fünfzig Kandidatinnen, die bei den demokratischen Vorwahlen antraten, konnten diese für sich entscheiden oder schafften es in die Stichwahl, die im Mai ansteht. Hervorzuheben sind hier Veronica Escobar aus El Paso und Sylvia Garcia aus Houston, die die Vorwahlen in ihren Wahlbezirken gewannen. Die Chancen der Kandidatinnen, als erste hispanische Frauen den Bundesstaat Texas im Kongress zu repräsentieren, stehen gut: Sie treten in Wahlbezirken an, die im ansonsten konservativ geprägten Texas momentan in demokratischer Hand sind.

Viele ihrer demokratischen Mitbewerberinnen werden es nicht einfach haben, da sie in Wahlbezirken kandidieren, die als „rot“ – also republikanisch – gelten. Die Daten vom „Center for American Women and Politics“ zeigen, dass die Hälfte der Demokratinnen in Wahldistrikten ins Rennen gehen, die als „wahrscheinlicher“ oder „sicherer“ Gewinn für die Republikaner gelten. Auf der anderen Seite treten 34 Prozent der Republikanerinnen in Bezirken an, die „wahrscheinlich“ oder „sicher“ an Demokraten gehen werden.

Die hohe Anzahl an Demokratinnen, die in republikanisch geprägten Wahlbezirken antreten, dürfte darin begründet liegen, dass sie mit ihrer Kandidatur ein Zeichen setzen wollen. Spannend wird es allerdings in den sogenannten „Toss-up Races“, bei denen der Ausgang ungewiss ist und sowohl Demokraten als auch Republikaner Aussicht auf Erfolg haben. In diesen Duellen haben die Kandidatinnen beider Parteien echte Chancen, den Frauenanteil im Kongress zu steigern. Angesichts der hohen Anzahl an Frauen, die in nahezu aussichtslosen Wahlbezirken antreten, droht nach der Flut an weiblichen Kandidatinnen leider auch eine Flut an Niederlagen.

Iris Froeba ist Policy Analyst and Media Officer, Transatlantisches Dialogprogramm, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit