Leutheusser-Schnarrenberger: Der Staat darf nicht zum Sicherheitsrisiko werden

Unser Vorstand zur anstehenden Innenministerkonferenz in Leipzig
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Zur anstehenden Innenministerkonferenz in Leipzig erklärt Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesjustizministerin a.D. und Vorstand der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit:
 
„Der Staat darf nicht zum Sicherheitsrisiko werden. Die Presseberichterstattung im Vorfeld der Innenministerkonferenz über eine geplante ‚Verpflichtung der Industrie, deutschen Sicherheitsbehörden digitale Einfallstore für das Ausspionieren von privaten Autos, Computern und Smart-TVs zu öffnen‘, hat die Bevölkerung genauso verunsichert wie das uneindeutige Dementi des Sprechers des Bundesinnenministers. Noch immer ist nicht klar, welche gesetzlichen Regelungen der geschäftsführende Bundesinnenminister de Maizière mit seinem Vorschlag anstrebt.
 
Die dramatischen Befürchtungen der Wirtschaft müssen ernst genommen werden. China ist mit Sicherheit kein Vorbild, wenn es um das Ausnutzen von Sicherheitslücken zum Ausspähen von Bürgern und Unternehmen geht. Wir brauchen schnell eine Meldepflicht für staatliche Akteure, wenn sie Sicherheitslücken entdecken.
 
Ich fordere die Innenminister und -senatoren der Länder und den Bundesinnenminister zudem auf, sich unmissverständlich von allen gesetzgeberischen Vorhaben zur Schaffung von Hintertüren in IT-Geräten zu distanzieren.
 
Die Schaffung sogenannter ‚backdoors‘, also die gesetzliche Verpflichtung der Hersteller von IT-Geräten zum Bereithalten einer Hintertür für staatliche Sicherheitsbehörden, wäre der informationstechnische Super-Gau. Erlaubt sie doch – ohne Überwindung von Zugangsschranken – das Eindringen in Vertraulichkeit und Integrität von IT-Geräten wie Sprachassistenten, TV-Geräten, PCs, Tablets, Smartphones oder vernetzte Autos. Niemand könnte mehr auf die unbeobachtete Nutzung seiner IT-Geräte vertrauen, die Hersteller sie nicht garantieren. Eine massive Schwächung der IT-Sicherheit.
 
Rechtlich würde eine solche Regelung tief in das von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG umfasste Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme eingreifen. Dieses Recht hat das Bundesverfassungsgericht erst 2008 fortentwickelt, um den Gefahren für Menschen- und Bürgerrechte im Zeitalter der Informationstechnologie zu begegnen. Informationstechnische Systeme werden in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts mittlerweile genauso gut geschützt wie Wohnungen. Darüber kann kein Gesetzgeber hinweggehen.“

Pressekontakt:
Doris Bergmann, Pressereferentin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, presse@freiheit.org, Tel. 030 28 87 78 54, www.freiheit.org