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Kommerzialisierung des Weltraums

Brussels, we have a problem – Wie Europa den Anschluss im Weltraum verliert

Satellit
© picture alliance / Sergey Nivens/Shotshop | Sergey Nivens

Weltraumtechnologie, Forschung und Erkundung der ewigen Weiten erreichen seit Jahren eine neue Blütezeit. Nur Brüssel ist im Winterschlaf. New Space vereinfacht und vergünstigt den Zugang zum All und Staaten wie Unternehmen starten so viele Satelliten wie noch nie in den Orbit. Doch mit den neuen Möglichkeiten steigen auch die kosmischen Sorgen vieler Politiker und Forschenden. Spätestens mit dem Angriffskrieg Russlands und die Abhängigkeit der Ukraine von Elon Musks StarLink Konstellation, ist die Unabdingbarkeit von Satelliten-Strukturen für die Sicherheit von Staaten nicht mehr zu ignorieren. In den USA wird aktuell sogar dafür geworben, den Weltraum als einen von 16 kritischen Infrastruktur Sektoren aufzunehmen. Die Disruption von Satelliten könnte international Navigationssysteme lahmlegen, Kommunikationskanäle einschränken oder zerstören sowie Finanz- und Wirtschaftsströme unterbrechen. Was im Weltraum passiert, hat Auswirkungen auf all unsere Leben. Das hat auch Peking verstanden. China priorisiert die eigenen Fähigkeiten im All. So zum Beispiel für die bevorstehende Mission auf die Mondrückseite. Erst vor wenigen Wochen hat das Land einen Satelliten gestartet, der als Kommunikationsbrücke zwischen Bodenoperationen auf der Erde und der Mondmission dienen soll.

Auch wirtschaftlich spielen Weltraum und Satelliten eine immer größere Rolle. Sogenannte „Big Space Data“ sind Grundlage für datenbasierte Geschäftsmodelle. Dazu gehören nicht nur Wirtschaftsbereiche, die klassischerweise im digitalen Raum verordnet werden. Für Landwirtinnen und Landwirte sind Daten aus dem All zum Beispiel ebenfalls wichtig. Durch genaue Wetterdaten kann so unter anderem die Aussaat geplant und die Gesundheit der Pflanzen überprüft werden. Eine Störung dieser Infrastruktur hätte somit auf allen Ebenen fatale Folgen. Hinzu kommt, dass jede Technologie im Weltraum praktisch eine Dual-Use Technologie ist: Sie kann, auch wenn sie eigentlich wirtschaftliche oder Forschungsfunktionen ausübt, militärisch genutzt werden. Wenn China präzise Weltraumschrott aus der Umlaufbahn entfernen kann, dann kann es auch präzise Satelliten der USA oder EU entfernen. Der Weltraum rückt somit immer mehr in den Fokus des geopolitischen Systemwettbewerbs. 

Europa wird - vor allem von China und den USA - abgehängt

Das bringt die Frage mit sich, wie Europa im Bereich der Weltraumtechnologie aufgestellt ist. Die Antwort ist ernüchternd, denn Europa wird -  vor allem von China und den USA - abgehängt. Dabei gibt es auch in Europa immer mehr Unternehmen und Start-Ups, die Weltraumtechnologie entwickeln. Dies ist laut Prof. Kraus und Prof. Knopp von der Bundeswehr Universität München eine Chance für Europa. Würde Europa zum Beispiel die eigenen Unternehmen mit der Herstellung einer eigenen Megakonstellation, also einem großen Netzwerk von Satelliten, beauftragen, so könnten diese in bestehende Wertschöpfungsketten einsteigen und europäische Kapazitäten aufbauen. Eine solche Megakonstellation hätte jedoch nicht nur wirtschaftliche Bedeutung. Sie würde auch die Informationsfreiheit in Europa, vor allem in Krisensituationen sichern und strategischen Technologiezugang gewährleisten.

 

In dem Policy Paper „Die neue Ära der Weltraumkommerzialisierung – Satelliten im geopolitischem Schachspiel“ arbeiten Prof. Kraus und Prof. Knopp im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit die Relevanz des Weltraums heraus und analysieren das Innovationsökosystem der Raumfahrt in Europa. Anstelle eines einheitlichen und effizienten Marktes sei die europäische Raumfahrtindustrie fragmentiert. Die Priorisierung von nationalen Interessen führe zu Doppelarbeit für die Industrie, langwierigen Entscheidungsprozessen auf europäischer Ebene und oft halbherzigen Kompromissen. Idealtypische Beispiele, wie der geographische Return bei ESA-Raumfahrtprogrammen, stellen Fairness über Effektivität und Qualität. Damit Länder, die sich bei ESA-Programmen beteiligen, auch selbst profitieren, soll jedes Land, das Mittel einbringt, auch einen entsprechenden Anteil der Aufträge und Arbeitsplätze erhalten, die aus diesen Programmen entstehen. Die Autoren des Papers argumentieren dagegen für „mehr Flexibilität, eine an tatsächliche Fähigkeiten und Bedürfnisse der Mitgliedsstaaten angepasste Vergabe und die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Marktes für Raumfahrtdienstleistungen“. Welche anderen Lösungen sie vorschlagen, um Europa im Weltraum wieder wettbewerbsfähig zu machen, lesen Sie in unserer aktuellen Studie.